von Georg Schepper, Rechtsanwalt, Bielefeld
Hass-emails, öffentliche Verunglimpfungen oder gar Attacken auf Rabbiner oder einfach Mitmenschen jüdischen oder muslimischen Glaubens1 sind rassistische Entgleisungen und zu verurteilen. Es ist schade, wenn eine eigentlich vom Kindeswohl und Menschenrecht her geführte und durchaus berechtigterweise auch religionskritische Diskussion von rechtsradikalen Trittbrettfahrern missbraucht wird.
Deswegen positioniere ich mich ausdrücklich gegen Rechtsradikalismus, Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie2. Ich begrüße es ebenfalls ausdrücklich, dass Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens dieses Land mit ihrer Kultur bereichern. Nach den nationalsozialistischen Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts haben wir nun eine freiheitliche Verfassung, die u. a. Grundrechte wie die Religionsfreiheit formuliert und die friedliche Koexistenz aller Religionen und Weltanschauungen unter einem Dach ermöglichen sollte. Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, das ich selbst für mich in Anspruch nehme.
Und auch dass Eltern jüdischen oder muslimischen Glaubens ihre Kinder lieben und nur das Beste für sie wollen, glaube ich. Ich glaube aber auch, dass dies Eltern anderer Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen tun. Es muss trotzdem möglich sein, über das, was das Beste sein soll, zu diskutieren und zu versuchen, einen Konsens im Rahmen des Rechts zu finden.
Rituale sind etwas Wundervolles, für religiöse Menschen auch im wahrsten Sinne des Wortes. Einmal sind sie etwas Schönes. Ich bin in einem katholischen Umfeld aufgewachsen und habe die Kommunion und Firmung mitbekommen. Ich habe es nicht als das Schlechteste in Erinnerung, wenngleich mir auch die Vorstellungen des Leibes Christi in Form von Oblaten und vom Heiligen Geist als abwegig vorkamen. Solche Rituale sind aber für Religionen und Gläubige voller Wunder, mystisch meinetwegen. Und identitätsstiftend, wie die Beschneidung bei den Mitmenschen jüdischen Glaubens, die den Eintritt eines männlichen Nachkommen in den Bund mit Gott bedeuten soll. Aber es wurden auch dereinst religiöse Rituale wie Menschenopfer praktiziert. Kurzum, Rituale müssen mit den allgemeinen Gesetzen im Einklang sein. Wenn eine Religion darauf bestehen würde, der Erstgeborene sei auf dem Altar zu opfern, würde dies hierzulande nicht erlaubt sein. Auch bei der Beschneidung geht es daher um Grenzen. Was darf man, was nicht. Und eine Diskussion darüber ist keine Einmischung in die Selbstbestimmung von Religionen, sondern über Kinderschutz, Ethik, Legitimität und Aufklärung. Das ist in der Demokratie nicht nur erlaubt, sondern sogar erforderlich. Aufklärung bedeutet auch Innovation, Entwicklung, Fortschritt und damit bei Erkenntnis von schädigendem Verhalten auch ein Loslassen von archaischen3 Ritualen. Auch das darf man von Religionen verlangen. „Hinterfragt und passt Euch ggf. an“ und nicht „Geht woanders hin, wenn Ihr Eure Religion ausüben wollt“ ist die Aussage, die ich vertrete.
Umgekehrt ist nämlich Integration keine Einbahnstraße insofern, als dass sich der Rechtsstaat automatisch den Religionen anzupassen oder gar zu unterwerfen hat. Äußerungen wie die der Frau Knobloch, sie sei nicht bereit, auch nur ein Jota jüdischer Identität aufzugeben4, die Beschneidung sei mit einer Impfung vergleichbar oder ein deutscher Richter solle hier doch das Maul halten (so der Rabbiner Andreas Nachama)5, empfinde ich als Affront gegen mich als Menschen, Juristen und gegen das aufgeklärte, demokratische und rechtsstaatliche System des Ortes, an dem sie als Mitmenschen jüdischen, islamischen oder sonstigen Glaubens gleichberechtigt, aber auch gleichverpflichtet mit und neben anderen leben. Die Ankündigung kollektiver Missachtung oder der Vornahme des Ritus dann eben im Geheimen, notfalls auf dem Küchentisch, offenbart ein seltsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.
1994 nahm ich im Rahmen eines Auslandsstudiums an der Universität Utrecht an einem Seminar namens „International Protection of Human Rights“, Prof. Swaak, teil. Eine britische Kommilitonin hielt einen Vortrag über die Mädchenbeschneidung in Afrika. Im Wesentlichen schilderte sie den Vorgang, die religiösen und kulturellen Hintergründe und Zahlen. Sie schloss sinngemäß mit den Worten: „And if you ask me for the difference to male circumcision, i tell you: It hurts!“
Das war also der Unterschied. Die weibliche Beschneidung tut weh, die männliche nicht. Dies provozierte prompt den Widerspruch eines männlichen Kommilitonen (albanischer Herkunft). Er sei beschnitten und könne bestätigen, dass diese Prozedur auch beim Manne sehr schmerzhaft sei. Ich schloss mich seinem Statement an und, um nicht als chauvinistischer Schlaumeier und Kommilitonen-Schreck dazustehen, schwieg zu den meines damaligen Wissens nach anderen, gravierenderen Unterschieden.
Die weibliche Beschneidung nämlich, so dachte ich, dient im Gegensatz zu der bei Männern, der Unterwerfung und Unterdrückung der Frau und deren Sexualität. Sexuelle Treue solle dadurch erreicht werden, dass die Freude an der Sexualität verringert wird. Sie sei ein Ausfluss des Patriarchats und schon deshalb zu verurteilen.
Die männliche jedoch sei der Hygiene dienlich, schützte vor Infektionen und habe keine schädlichen Auswirkungen auf die Sexualität. So dachte ich, auch in Hinblick auf meine noch recht kurz zurückliegende eigene Beschneidung.
Nicht erst diese Diskussion hat mich in erst seit ein paar Jahren schwelenden Zweifeln bestärkt. Im bisherigen Schriftverkehr habe ich mich insoweit geäußert, ich könne die sexuellen Einschränkungen Beschnittener physiologisch nachvollziehen. Denn ich habe anscheinend noch Glück gehabt. Auf die auch bei mir – wenn auch weniger heftig - fortschreitende Desensibilisierung angesprochen, wurde mir von dem damals konsultierten Urologen erstaunt entgegnet, bei mir hätte man doch noch viel dran gelassen. Ich darf mir gar nicht vorstellen, wie es Geschlechtsgenossen ergeht, die radikal beschnitten6 worden sind und das schon als Kind, und nicht wie ich – aus eigener Entscheidung und aus medizinischen Erwägungen – erst mit Mitte zwanzig. Ich habe da noch einen Vorsprung.
Aber ich kann nicht umhin, mich mit den anderen Betroffenen zu solidarisieren.
„Träger der (individuellen) Glaubensfreiheit ist zunächst jede natürliche Person. Geschützt werden insb. Ausländer und Kinder (Starck MKS 71). Das Grundrecht der Kinder wird allerdings durch das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 überlagert, die daher i. E. die Glaubensfreiheit des Kindes bis zur sog. Religionsmündigkeit ausüben.“7
Die Eltern nehmen das Grundrecht des Kindes auf Religionsfreiheit sozusagen kommissarisch wahr. Es ist für mich nicht wirklich zu problematisieren, dass Eltern ihre Kinder auch i. S. ihrer evtl. religionsbedingten Moralvorstellungen oder schlicht religiös erziehen dürfen (solange nicht gegen das Gesetz verstoßen wird). Das wird und soll man nicht verhindern dürfen, es wäre nichts weniger als Diktatur in einer solchen oder in einem monotheistischen Gottesstaat.
Mit Religionsmündigkeit (14 Jahre) können Kinder dann selbst entscheiden. Sie können aus Kirchen aus- oder eintreten und am Religionsunterricht teilnehmen oder eben nicht. Derzeit gibt es wohl keine Religion, die Beschnittene ausschließt. Nur insoweit ist es richtig, wenn vorgebracht wird, mit der Beschneidung würde das Grundrecht des Kindes auf Religionsfreiheit ja gar nicht verletzt.
Nachdem das BVerG8 es mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger für unvereinbar erklärt hatte, dass Eltern ihre Kinder kraft ihrer gesetzlichen Vertretung bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten konnten, ist mit § 1629a BGB eine Beschränkung der Minderjährigen-Haftung kodifiziert worden. Dahinter steht der Gedanke, dass Jugendliche bei Eintritt in die Volljährigkeit nicht bereits überschuldet sein sollen. Ihnen soll bei Erlangen der vollen Geschäftsfähigkeit nicht schon der weitere Weg im Erwachsenenleben finanziell verbaut sein.
Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Religionsfreiheit übertragen. Bei Eintritt in die Religionsmündigkeit darf nicht der Weg in andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften schon verbaut sein. Man muss sich auch dazu entscheiden können, frei von jedweder Religion zu sein. Irreversible vollendete Tatsachen, die einer Religion zuzuordnen sind, sind zu unterlassen. Die religiöse Beschneidung soll ja so ein Zeichen sein („ein Siegel auf dem Körper eines Juden, das man nicht ablegen könne wie eine Uniform“)9. Wer bspw. zum Stichwort „Bris Periah“ recherchiert, erfährt, dass ein radikaler Stil im Judentum praktiziert wurde, um so die Versuche der Vorhautrestauration von Jugendlichen zu torpedieren (http://www.circlist.com/styles/page3.html). Dies spricht Bände.
„Die aus der Menschenwürde fließende Subjektqualität wird verletzt, wenn ein Mensch dadurch “zum bloßen Objekt der Staatsgewalt“ gemacht wird, dass „Durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird“, ... Etwa durch Erniedrigung, Brandmarkung oder Ächtung.“10
Die Beschneidung ist eine endgültig gewollte Stigmatisierung. Sie soll nicht rückgängig gemacht werden können. Auch wenn der Betroffene den Bund mit Gott nicht mehr will, soll ihm dieses Mal verbleiben.
Ich finde, dass die Beschneidung daher schon mit der Menschenwürde nicht vereinbar ist.
Jedenfalls ist sie eine Verletzung der Religionsfreiheit des Kindes insoweit, als dass es bei Eintritt in die Religionsmündigkeit irreversibel i. S. der von den Eltern bestimmten Religion gezeichnet ist.
Man kann vom Glauben abfallen, in Deutschland sogar ohne mit dem Tod bestraft zu werden. Aber man kann nicht zum Rabbi oder Imam gehen und als Zeichen der erlangten Religionsmündigkeit seine Vorhaut wieder zurückerlangen.
Man muss dieses Mal ein Leben lang für diese Religion (er)tragen, auch wenn es sonst eine Bürde für einen ist.
Es ist im Rahmen der Diskussion um das Urteil des LG Köln zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen sehr viel bekannt geworden bzw. zumindest inzwischen dem Interessierten zugänglich. Allein wikipedia und pflegewiki11 bieten unter den Stichworten „Zirkumzision“ und „Komplikationen der Beschneidung“ eine Fülle an Informationsmaterial mit Bildern und Belegen, die man – mit dem immer gebotenen kritischen Verstand – ertragreich rezipieren kann. In zahlreichen Stellungnahmen von berufenen Experten (und nicht selbst ernannten, wie so oft in der Politik) wie ins. Herrn Prof. Dr. Franz, Prof. Dr. Stehr und auch Dr. Schmidbauer, werden die möglichen und tatsächlichen Auswirkungen diskutiert. Im dem offenen Brief vom 21.07.2012 in der FAZ12, zu deren Unterzeichnern auch ich gehöre, wird daher auch unter Bezugnahme auf all diese z. T. neueren Erkenntnisse u. a. auch für eine Versachlichung der Diskussion geworben. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf das folgende nur kurz eingegangen.
1. Körperverletzung an sich
Unstreitig ist der Akt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und eine Körperverletzung. Unstreitig wird dabei ein Teil des Penis, nämlich die Vorhaut, mehr oder weniger vollständig entfernt. Unleugbar ebenfalls, dass es sich um einen hochempfindlichen Teil des Penis handelt, der von Nerven nur so strotzt. Sehr wahrscheinlich auch um einen, der wichtige Funktionen hat, z. B. den Schutz der Eichel, die ja dann auch infolge des Eingriffs verhornt und unempfindlicher wird.
2. Mögliche Komplikationen
Die möglichen Komplikationen sind vielfältig und reichen von Nachblutungen bis zur Nekrose und vollständiger Amputation des Penis. Sie sind auch statistisch signifikant. Und sie kommen vor, auch bei fachgerecht durchgeführten Beschneidungen. Murphy´s Law, nachdem, wenn etwas schiefgehen kann, es auch schief geht, lässt grüßen.
3. Mögliche psychosexuelle Auswirkungen
In dem Film „Stichtag“ erzählt der von Robert Downey Jr. dargestellte Protaganist des Films seinem Freund davon, wie der Mann, mit dem unterwegs ist, abends vor dem Einschlafen im Wagen vor seinen Augen onaniert habe, als ob das das Normalste der Welt sei. Der Freund ist darob ganz erstaunt und erwidert sinngemäß: „Einfach so, ohne Gleitmittel?“. Ob jemand, der diesen Witz versteht, wirklich darüber lachen kann, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls entspricht es durchaus auch den Tatsachen, dass viele von dieser Form der Beschneidung betroffene Männer berichten, nur noch eingeschränkt zur Masturbation fähig zu sein und Hilfsmittel wie bspw. Gleitgel oder Öl dazu brauchen.
Cem, der Protagonist der deutschen Komödie „Türkisch für Anfänger“, antwortet darin in einer Szene auf die Frage, ob sich nicht auch er gestern erleichtert hätte: „Ich bin Moslem, Alter, ich brauch´ meine Body-Lotion“. Hier wüsste ich gerne, ob „Moslems“ darüber lachen können und sich im Anschluss vielleicht in einem Disput über die lubrizierende Wirkung von Öl und anderen Substanzen ergehen. Ich jedenfalls konnte nicht darüber lachen und ich denke, viele der Betroffenen (siehe unten) auch nicht.13
Wenn man sich den Umfang der entfernten Teile des Penis vor Augen hält, ist dies sozusagen nicht von der Hand zu weisen. Man muss kein Anhänger der Duck-Theory sein, um zu dem Schluss zu gelangen, dass dies logisch nachvollziehbar ist.
Es sind – zugegeben – viele Studien und Befragungen neueren Datums, die in der Diskussion angeführt werden. Aber sie sprechen eine deutliche Sprache, zumindest sind sie so substantiiert, dass mit Prof. Dr. Reinhard Merkel (Phoenix) eine Beweislastumkehr zu fordern ist14. Nicht die, die gegen die Beschneidung Minderjähriger sind, müssen die Möglichkeit von Komplikationen und derartigen Auswirkungen beweisen, sondern die, die dafür sind, deren Unerheblichkeit, eigentlich auch deren sicheres Ausbleiben.
Komplikationen und Auswirkungen werden durch Betroffene bezeugt.
„Im Lärm der Diskussion geht das Schweigen der Beschnittenen unter“15.
Am 03.07.2012 erinnerte sich mit Najem Wali ein irakischer Schriftsteller an seine Beschneidung16. Wir lesen, dass dies seine erste Begegnung mit der Folter gewesen sei. Er habe geschrien, aber vergeblich. Sein Schrei sei in den Tränen untergegangen, die ihm über das Gesicht liefen. Er endet mit den Worten, er wüsste, dass die Religionen mit Klauen und Zähnen kämpfen würden, um weiter ihre Grausamkeiten an den Menschen auszuüben. Es ginge für sie um ihre Macht. Letztendlich sei ihnen egal, welche Verstümmelung sie in den Seelen von Millionen von Menschen hinterließen, es spiele keine Rolle, ob die Menschen dies freiwillig über sich ergehen ließen. Die Macht der Religionen würde weiter regieren.
Am 16.07.2012 äußerte sich der Zentralrat der Ex-Muslime17. Sie hätten in ihren Reihen mehrere erwachsene Mitglieder, die diesen Angriff als Kind erlebt haben und die bis jetzt von dieser schlimmen Erinnerung nicht befreit sind.
Drastischer drückt sich am 26.07.2012 der Comiczeichner und Filmregisseur Riad Sattouf aus18. Es sei eine traumatische und äußerst brutale Erfahrung gewesen. Eine Gruppe von Männern hätte ihn umzingelt und ein weiterer Mann mit einem Rasiermesser ein Stück seines Penis abgeschnitten (ich glaube nicht, dass ein Mann die Vorhaut als nicht dem Penis zugehörig empfindet, sie ist kein bloßes Anhängsel, das wird auch durch diese Wortwahl deutlich, Anm. des Verfassers). Kein anderes Tier dieser Welt würde seinen Kindern Körperteile abschneiden, das mache nur der Mensch.
Schonungslos auch die Schilderungen von Alexander Bachl in seinem offenen Brief an Heinz Hilgers und dem deutschen Kinderschutzbund.19 Er beschreibt detailliert die erlittenen physischen und psychischen Qualen20. Er lässt auch nicht die sexuellen Implikationen aus, dass das Erreichen des Orgasmus schon jetzt, mit 23 Jahren, gelegentlich ein Kampf sei, den er verliert. Ein von ihm konsultierter Urologe hätte das auf den in seinem Fall umfangreichen Verlust an Vorhaut zurückgeführt Seine Beschneidung sei das Schlimmste, dass ihm je angetan wurde. Seine Vorhaut sei weg und käme nicht wieder. Die religiösen Verbände schrien so laut, dass man das Weinen der Kinder leicht überhöre.
Erst vor kurzem dann, am 14.09.2012, äußerte sich auf taz.de Niels Juel21 und damit jemand, der sich mit 18 hat beschneiden lassen und den Unterschied zwischen der Sexualität zuvor und danach kennt. Es sei eine große Freude verschwunden. Zu Ende hin schwört er, dass kein Messer, keine Schere je in die Nähe der Vorhaut seiner Kinder kommen würde.
Von dem Jungen, dessen Malheur dem Urteil des LG Köln zugrunde liegt, ist im Nachhinein bekannt geworden, dass es sich bei den Komplikationen keineswegs nur um Lappalien handelte, sondern sie eine mehrstündige Nachbehandlung unter Vollnarkose nötig machten. Die freiliegende Penisoberfläche und Eichel sei uneben, zerfressen und fibrinös belegt gewesen, und das, trotzdem der Eingriff nach allen Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen worden sei.22 Was wird er dazu sagen, wenn er dies als Erwachsener liest?
Was wird der zu einem Mann herangewachsene Junge sagen, dem bei einer rituellen Beschneidung durch einen Chirurgen ein Teil der Eichel amputiert worden ist23. Dem Chirurgen war das Skalpell abgerutscht und er hatte eine Fehlbildung der Harnröhre nicht erkannt. Wenn man nicht schon mit der Beschneidung an sich eine Verstümmelung annehmen möchte, so kann man sie hier nun wirklich nicht mehr leugnen.
Sind das alles einfach hinzunehmende Kollateralschäden?
Es mag freilich viele geben, die mit ihrer Beschneidung einverstanden sind, vielleicht weil sie religiös sind oder weil sie es einfach als gegeben akzeptieren. Das ist schön für sie. Das LG Köln konstatiert ja auch, dass es Eltern und Religionen zumutbar sei, zu warten, ob man sich, wenn man mündig ist, selbst für die Beschneidung entscheidet. Um diese Wahlmöglichkeit geht es.
Ali Utlu, Mitglied der Piratenpartei und Ex-Muslim, äußerte sich ebenfall des Öfteren zu diesem Thema und berichtete dabei auch über seine eigenen erheblichen Einschränkungen in der Sexualität. Besonders interessant ist für den nachfolgenden Befund sein Auftritt in der Sendung „log in“ zum Thema „Religionsfreiheit oder Kindeswohl“ am 22.08.2012.
Mit nahezu keinem Wort wurde darin von den Befürwortern der Knabenbeschneidung (ein gläubiger Moslem und ein Rabbiner) auf die von Herrn Utlu geschilderten Probleme eingegangen. In dieser Hinsicht wurde er schlicht ignoriert, Herr Serkan Tören beschränkt sich darauf, zu konstatieren, er hätte diese Erfahrung so nicht gemacht. Auch Michael Schmidt-Salomon konnte zu den Gefahren der sexuellen Beeinträchtigung vortragen, ohne dass dies von den beiden aufgegriffen und wirklich diskutiert worden wäre. Der Rabbiner Soussan gibt zu, von den traumatischen Erfahrungen gelesen zu haben, hält diese aber nicht für verallgemeinerbar. Eine Regelung könne doch nicht die Beschneidung per se verbieten, die Frage sei doch, wie kann man eine Beschneidung so durchführen, dass sie den geringsten – auch - seelischen Schaden beinhaltet. Das ist natürlich eine insoweit interessante Äußerung, als dass sie impliziert, dass auch Herr Soussan von einem seelischen und wohl auch körperlichen Schadenspotential ausgeht. Unabhängig davon jedoch lässt sich seine Frage leicht beantworten: Indem man die Beschneidung einfach lässt bzw. zuwartet, bis sich der zu Betroffene selbst entscheiden kann.
Liest man die Stellungnahmen der Befürworter der Knabenbeschneidung zuletzt, dann beschränken sich diese inzwischen zumeist darauf, zu postulieren, dass die Ausübung der jüdischen und muslimischen Rituale in Deutschland weiterhin möglich und daher die Beschneidung straffrei bleiben muss. Im Nebensatz wird dann vielleicht noch fallen gelassen, es sei ja auch ein minimaler Eingriff, so harmlos wie ein Friseurbesuch. Von Frau Göring-Eckhardt erfahren wir, dass sie vor dem Essen betet und jeden Tag einen Bibelvers liest. Sie äußert auch Verständnis dafür, wenn Menschen darüber diskutieren wollen, wie es den Kindern bei der Beschneidung geht. Das dürfe man in einer Demokratie. Weiter ist das aber für sie wohl nicht von Belang. Sie kritisiert das Urteil und plädiert dafür, die Beschneidung zu legalisieren24.
Tragfähige und nicht schon längst und immer wieder widerlegte Pseudoargumente für die Beschneidung findet man oft schon gar nicht mehr. Der Kern der Sache ist auch nicht dies, sondern die religiöse Komponente. Es geht um die Macht, Herr Wali wird Recht behalten.
Das eingangs zitierte Schweigen der Betroffenen gibt es aber nicht, auch wenn das viele gerne so hätten und immer noch so tun wollen. Die Betroffenen äußern sich, und ich meine, es ist den Frauen und dem Feminismus zu danken, dass sie den Mut dazu finden. Sie haben es vorgemacht. Vor diesem Hintergrund ist es schön, in dieser Sache „Terre des Femmes“ auf Seiten auch der männlichen Betroffenen zu finden.
Und Fakten verschwinden nicht, bloß weil man sie ignoriert.
Die Politik und all die Befürworter der Beschneidung von minderjährigen Knaben sind aufgefordert, jetzt auch endlich Stellung zu den Einlassungen der Betroffenen zu beziehen. Und damit, dass man selbst diese Erfahrungen nicht gemacht hat, ist es nicht getan. Es geht nicht um die eigenen Erfahrungen. Man darf nicht anderen Menschen Dinge auferlegen, nur weil man sie für sich selbst als richtig erachtet.
Volker Becks euphemistischer Diminutiv, die Beschneidung habe praktisch keine beeinträchtigenden, wenn auch verändernde Folgen, ist vor diesem Hintergrund auch nur schwer verdaulich (http://www.gruene-bundestag.de/themen/religion/das-ist-keine-straftat_ID_4384655.html).
Frau Bilkay Öney, SPD Politikerin und Integrationsministerin von Baden-Württemberg, sagte in der Sendung „Maischberger – Der Beschneidungsstreit“ v. 14.08.2012: „ ...und bisher ist mir auch kein einziger Fall bekannt, wo ein Mann sich zu Wort gemeldet hätte, der gesagt hat, ich bin traumatisiert.“ Man könnte verzweifeln.
1. Ein kurzer Abriss
„Übrigens völlig anders – damit das gleich mal gesagt ist – als die Praxis der sogenannten Mädchenbeschneidung, da muss man ja regelrecht von Amputation reden.“25 So auch sinngemäß Herr Graumann in „Maischberger – Der Beschneidungsstreit“ v. 14.08.2012, bei Jungs sei das etwas ganz anderes. Frau Bilkay Öney pflichtet ihm bei, denn die Funktion des Penis würde dadurch in keinster Weise beeinträchtigt werden (das sehen allerdings viele Betroffene anders und stellt sich auch in der Wissenschaft anders dar, was aber an Frau Öney und damit immerhin einer Ministerin völlig vorbeigeht26).
Klitoridektomie ist der Fachausdruck für die Entfernung der Klitoris bzw. des äußeren, sichtbaren Teils. Mir neu war, dass diese wohl in Europa und Nordamerika noch bis ins 20. Jahrhundert hinein als Behandlung der als pervers betrachteten Masturbation und der weiblichen Hysterie empfohlen und durchgeführt worden war.27 Insoweit waren viele Mädchen dem gleichen Schicksal unterworfen wie Knaben, bei denen die Beschneidung als RIC (Routine Infant Circumcision) aus denselben Gründen vorgenommen worden war (nachdem das Christentum nicht gerade für Offenheit und Toleranz in Fragen der Sexualmoral bekannt ist, könnte man von einer mittelbar religiös motivierten Beschneidung sprechen, vordergründig ging es jedoch um die Sexualität).
Unter dem Titel „Rechtsfalle Klitorisvorhaut“ findet sich ein interessanter Artikel unter www.heise.de. Darin wird die Besorgnis geäußert, dass durch den Bundestag auch versehentlich die Beschneidung von minderjährigen Mädchen erlaubt wird. Denn auch die bloße Entfernung der Klitorisvorhaut und nicht nur der Klitoris selbst zähle zu den verbreitetsten Methoden der Frauenbeschneidung.
Dies ist auch Gegenstand einer lesenswerten Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin28, worin in den Raum gestellt wird, dass die Entfernung der Klitorisvorhaut, unter medizinisch einwandfreien Bedingungen vorgenommen, möglicherweise sogar weniger Folgen als die Entfernung der Penisvorhaut haben könnte. Es wird auch darauf hingewiesen, dass diese Form der leichten Verstümmelung in vielen islamisch geprägten Ländern keineswegs als ein „sittenwidriger Eingriff“ angesehen werden würde, sondern als religiös und traditionell ebenso bedeutendes Ritual wie die männliche Beschneidung.
Unter Bezug auf den Vorschlag für eine gesetzliche Regelung in der Beschneidungsfrage des Kirchenrechtlichen Instituts der evangelischen Kirche in Deutschland wird die Frage aufgeworfen, was wohl passiert, wenn sich jemand nach der Verabschiedung eines solchen Gesetzes in diesem Sinne auf das „Religiöse Selbstverständnis“ – und auch den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, der ja eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern verbietet, berufen würde.
Auch wenn die Mitglieder des Bundestages weibliche Genitalverstümmelung ablehnen, würden sie, sollte ein diesbezügliches Gesetz verabschiedet werden, extreme Schwierigkeiten haben, zu erklären, warum die religiöse Legitimation der männlichen Beschneidung in die Gesetzgebungspraxis Eingang findet, die weibliche dagegen verurteilt wird.
Interessant hierzu auch ein Artikel auf www.islamreligion.com.29 Zu Typ I der FGC (Female Genital Cutting) heißt es, dies sei die leichteste Form von FGC, nach dem United Nations Population Fund sei diese Art der Beschneidung beim Mann (gemeint ist wohl: mit der beim Mann, Anm. des Verf.) vergleichbar. Sie würde manchmal „Sunna-Beschneidung“ genannt, wegen der Tatsache, dass es diese Art sei, die gewöhnlich von den Muslimen durchgeführt würde, die glauben, dass es gestattet sei.“
Es folgen weitere Ausführungen u. a. auch zum Vorkommen in Nordamerika und in den Vereinigten Staaten (zur Verhinderung der Masturbation). Im Islam würde gelegentlich, wenn auch nur die leichte Form betreffend, diese damit verteidigt, sie würde auch positive Wirkungen wie beispielsweise die Vorbeugung unangenehmer Gerüche oder die Verminderung von Infektionen im Urogenitaltrakt und am Reproduktionssystem zeitigen. Abschließend sei nicht verschwiegen, dass sich die Autoren im Ergebnis der FGC gegenüber eher skeptisch positionieren.
Vergleichen bedeutet Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Und natürlich kann man die Mädchen- und Knabenbeschneidung miteinander vergleichen. D. h. ja nicht, dass man sie automatisch gleichsetzt.
Es gibt z. B. bei beiden unterschiedliche Schweregrade, FGC Typ I bis IV (Klassifizierung durch die WHO) bei Mädchen und die „High“, „Low“, „Loose“ und „Tight“-Kombinationen bei Jungen30. Hinsichtlich Typ Ia (nur die Klitorishaut betreffend), wird von vielen Fachleuten zumindest eine Ähnlichkeit zur Knabenbeschneidung attestiert. Vielfach wird auch von einem Äquivalent gesprochen.
Auch hier sind die Ausführungen unter wikipedia.de und weiterer Stellungnahmen – wiederum freilich bei geboten kritischer Lektüre – sehr aufschlussreich.31
„In beiden Fällen wird der empfindsamste und erogenste Teil des menschlichen Körpers amputiert oder schwer beschädigt. In beiden Fällen geht es in erster Linie um die Beschneidung menschlicher Sexualitüt.“32
Ich würde es so ausdrücken: In beiden Fällen werden an den Genitalien von Kleinkindern mehr oder weniger schwerwiegende körperliche Eingriffe vorgenommen, die oft auch den Verlust von hochempfindlicher und für die gesunde sexuelle Entwicklung relevante körperlicher Substanz beinhalten. Dies unter Schmerzen und ohne dass es medizinisch indiziert wäre. Und mit z. T. erheblichem Risiko schwerer Komplikationen und unter Inkaufnahme, wenn nicht sogar erwünschter, schädlicher Auswirkungen auf die psychosexuelle Gesundheit.
Rabbi Andrew Steiman äußerte sich einmal dahingehend, die Beschneidung solle auch erzieherisch wirken, Männer seien nun einmal stark von ihren Trieben bestimmt, darum müssten sie beschnitten werden. Nur so könnten sie kapieren, dass dieser Körperteil Gott geweiht sei.33
In einem wohl mittlerweile gelöschten Thread auf www.paradisi.de zum Thema Beschneidung, die Seite liegt mir vor, ließen sich Mütter und auch eine Krankenschwester darüber aus, dass man über eine möglichst radikale Beschneidung der lästigen Onanie und dem „Eichelkäse“ der männlichen Sprösslinge Herr werden könnte. Man müsste sie nach einer radikalen Beschneidung dann nur noch von Öl oder Gleitmitteln fernhalten.34
Die Formulierung des gespannten Verhältnisses zur Sexualität ist bei der Beschneidung immer noch aktuell.35
2. Wir sind Jurastudenten
Um mir die Rechtslage und die diffizilen Probleme besser vor Augen führen zu können, habe ich mich vor ein paar Wochen in meine Studentenzeit zurück und mich in einen Strafrechtsprofessor hineinversetzt, der zu diesem Thema einen Klausursachverhalt formulieren möchte36:
Frau A und Herr B sind ein glückliches junges Ehepaar. Sie leben friedfertig in einer mittelgroßen deutschen Stadt. Beide sind berufstätig. Ihre Tochter, C, ist 9 Jahre alt und ihr Sohn, D, 11. Beide sind intelligent, fleißig und talentiert. Sie sollen auf das örtliche Gymnasium gehen und werden von den Eltern ihren Begabungen entsprechend nach bestem Wissen und Gewissen gefördert. C ist sehr musikalisch und bekommt entsprechenden Unterricht. D ist ausgesprochen sportlich, schwimmt gut und ist im örtlichen Fußballverein eine große Hoffnung.
A und B sind selbst nicht religiös, aber in einem sehr religiösen Umfeld aufgewachsen. Ihnen wurde als Kind vermittelt, Masturbation sei etwas sehr Schlechtes und würde jungen Leuten schaden. Sie würde zu Rückenmarksschwund und den Verlust von Gehirnzellen führen. Außerdem würde man so von Wichtigerem im Leben, wie bspw. die Schule, abgelenkt werden
C und D kommen früh in die Pubertät und werden von den Eltern dabei erwischt, wie sie masturbieren.
A und B wollen ihren Kindern die von Ihnen vermuteten Folgen ersparen und weil sie gehört haben, dass sich die Sensibilität der Geschlechtsorgane und die Möglichkeit zur Masturbation durch Beschneidung einschränken lässt, streben sie eine solche an.
Sie gehen zu der Chirurgin S. Diese klärt die Eltern darüber auf, dass sie ihre Tochter nicht beschneiden darf37, aber bei ihrem Sohn eine radikale Zirkumzision durchführen könne. A und B weisen S darauf hin, dass sie dies unbedingt auch für ihre Tochter wünschen und mit ihr notfalls nach Afrika fahren würden. Um ihr dieses Schicksal zu ersparen und sie nicht dem Risiko auszusetzen, in einem Hinterzimmer auf dem Küchentisch oder unter katastrophalen Bedingungen in Afrika beschnitten zu werden, beschließt S, es dann doch lieber selbst zu tun.
Um größeren Schaden von C abzuwenden, kommt S aber nicht dem Wunsch der Eltern nach einer Entfernung Klitorisvorhaut nach, sondern ritzt sie mit dem Skalpell nur ein klein wenig an. Außerdem führt sie die Operation in Vollnarkose durch, so dass C nicht viel Schmerzen erleiden muss. Nach der OP hat sie noch ein paar Tage leichte Schmerzen, dann ist die Wunde gut verheilt. Sie verspricht den Eltern, nie wieder zu masturbieren, tut dies aber heimlich und passt sehr gut auf, nicht von ihren Eltern erwischt zu werden. Diese belassen es dann auch dabei und sind zufrieden. Folgeschäden trägt sie keine davon.
Bei D führt sie eine radikale Zirkumzision wie gewünscht nach dem Stil „Low & Tight“ durch, wobei sie das äußere und innere Vorhautblatt vollständig abträgt sowie das Frenulum entfernt. D wird dabei nur lokal anästhesiert, weil die Eltern wollten, dass er es mitbekommt und daraus lernt. Die Spritzen machen ihm Angst, sie tun ihm weh, außerdem wirkt die Betäubung nicht so, wie sie soll. Zwei Wochen darauf noch hat er große Schmerzen, traut sich kaum mehr Wasser lassen und kann lange Zeit nicht mehr schwimmen oder Fußball spielen. Auch die nächtlichen Erektionen bereiten ihm große Schmerzen und bringen ihn um den Schlaf. A und B bläuen ihm immer wieder ein, dass Masturbation ihm schade. Es fällt ihm ohnehin auch schwerer, weil er dies ganz ohne Vorhaut nur noch mit Gleitmittel wie bspw. Öl kann. Außerdem hat er Spannungsschmerzen, wenn sein Penis erigiert ist. Er bekommt daraufhin Pollutionen, aber seine Eltern glauben ihm nicht, dass er nicht Hand an sich gelegt hat. Weil D auch in der Schule verhaltensauffällig wird, schicken ihn A und B zum Psychologen P. Diesem schildert die Vorgänge um seine Schwester und ihn.
P erstattet Strafanzeige.
Prüfen Sie die Strafbarkeit der Beteiligten.
Es ist dabei zu unterstellen, dass A und B von S. ordnungsgemäß aufgeklärt worden sind und für beide Vorgänge ihre Einwilligung in dem Glauben gegeben haben, das Beste für ihre Kinder zu tun, also dem Kindeswohl entsprechend zu handeln.
Der im Sachverhalt erwähnte Beschneidungsstil bei D ist durchaus gängig und wurde auf Wunsch auch in Krankenhäusern so durchgeführt.
Man kommt nicht umhin, anzuerkennen, dass die Vorgänge um C weniger gravierend sind, als die um D. Die Eingriffsintensivität ist bei D wesentlich höher. Er kommt schon einmal nicht in den i. ü. an sich schon fragwürdigen Genuss einer Vollnarkose und muss den Vorgang bewusst miterleben. Trotz der Lokalanästhesie erleidet er große Schmerzen. Entsprechend der Eingriffsintensivität ist der Heilungsverlauf länger und von vielen Einschränkungen geprägt. Und auch danach sind die Folgen schwerwiegender. Bei Mädchen wird hinsichtlich der prinzipiellen Frage der Strafbarkeit jedoch nicht nach Schweregrad unterschieden (außer im Strafmaß vielleicht). Auch das bloße Anritzen ist strafbar.
Wer die Vorgänge um C für strafwürdig erachtet, müsste dies zumindest auch für D tun. Es sei denn freilich, man erachtet selbst die Masturbation für gesundheitsschädlich, und dies auch nur bei Knaben (ich gebe hier der wissenschaftlichen Erkenntnis den Vorzug). Wenn man dann aber auch bei D von Strafbarkeit ausgeht, ändert sich etwas, wenn die Vorgänge religiös motiviert sind? Wenn es sich bei A und B um Eltern jüdischen oder islamischen Glaubens handelt?
Der Islam macht es dem Konvertiten sehr leicht, es genügt das Sprechen der Schahada vor zwei Muslimen als Zeugen, mit anschließendem Gebet. Eine eigene Beschneidung ist dafür als Erwachsener nicht erforderlich. Wenn also Eltern den Wunsch nach Zirkumzision des männlichen Nachweises aus welchen Gründen auch immer (z. B. Hygiene) nicht verwirklichen können, dann ließe sich dies über die Konversion zum Islam schnell bewerkstelligen. Nach vollzogener Operation am Filius, die ja dann, weil religiös motiviert, legal wäre, könnte man in Deutschland auch schnell wieder vom Glauben abfallen.
Und wo ist die Instanz, die darüber entscheiden will, wann der Zweck hier die Mittel heiligt?
Die Entscheidung darüber, ob eine Zirkumzision ohne medizinische Indikation legal sein soll, ist aus der Beurteilung der Zirkumzision selbst zu beantworten. Wer hier der Gretchenfrage Entscheidungskraft zubilligt, führt ein Moment der Beliebigkeit ein. Und tatsächlich ist diese Beliebigkeit ja nun auch in einen Gesetzesvorschlag gegossen worden.
Seit dem 25.09.2012 ist dieser bekannt und wird versucht, ihn auf dem Expressweg durch die Instanzen zu zwängen. Drängte sich angesichts der Nachricht in der „Jüdischen Allgemeinen“ v. 28.08.2012, wonach der Wille der Teilnehmer eines Expertentreffens im Bundesjustizministeriums die baldige Rechtssicherheit für religiös motivierte Beschneidungen sei, schon der Verdacht auf, das Gesetzgebungsverfahren sei zu einer „Wünsch-Dir-was“-Veranstaltung degeneriert (es nahmen u. a. teil Vertreter vom Zentralrat der Juden und der Allgemeinen Rabbinerkonferenz), so hat man jetzt den Eindruck, dass einem keine Zeit zum Nachdenken und Diskutieren gelassen werden soll. Der Öffentlichkeit nicht, und den Abgeordneten auch nicht. Betroffenheit wird ausgeblendet. Es ist ein Skandal, wenn MOGiS e. V. und allgemein die Verbandsvertretung von Betroffenen aus vorgeblichen Kapazitätsgründen abgelehnt wird. Die Beschwörungen des Kindeswohls bspw. durch die Ministerin Schröder im Vorfeld der mit beispielloser Hast und unter grober Missachtung demokratischer Diskussionskultur in Gang gesetzter Gesetzgebungsmaschinerie entpuppt sich als bloße Heuchelei. Es geht nicht um die Kinder, es geht um die Religionen.
Der Regelungsvorschlag lautet wie folgt:
„Beschneidung des männlichen Kindes
(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks dasKindeswohl gefährdet wird.
(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.“
Die Eckpunkte des Regelungsvorschlages liegen dem Verfasser vor.
Es bleiben viele Fragen offen und werden viele aufgeworfen:
1. Allgemein
Es heißt zum einen darin, der Entwurf stelle keine Sonderregelung für religiös motivierte Beschneidungen dar. Die Rechtspraxis sehe sich sonst vor der schwierigen Aufgabe, den Inhalt religiöser Überzeugungen ermitteln zu müssen. Eine Regelung allein für religiös motivierte Beschneidungen von Jungen würde den möglichen unterschiedlichen Zwecksetzungen von Beschneidungen auch nicht gerecht.
Man muss dem Entwurf attestieren, dass er diese Falle zu umschiffen versucht. Wie ich oben schon anführte, hieße dies ja nichts anderes, als die Frage der Rechtmäßigkeit der Beliebigkeit preis zu geben. Erschreckenderweise aber tut er dies wiederum dadurch, dass er sie explizit beliebig zulässt.
Zum anderen aber wird die Regelung beschränkt auf die Beschneidung einwilligungsunfähiger Jungen, weil nur diese nach dem Urteil des LG Köln tatsächlich problematisch38 seien. Religiöse bzw. rituell-traditionelle Beschneidungen würden regelmäßig in einem Alter vorgenommen, indem die Kinder mangels Einsichts- Und Urteilsfähigkeit jedenfalls noch nicht selbst wirksam in den Eingriff einwilligen können.
Es ist eben doch religiöses Sonderrecht, was auch durch Abs. 2 verdeutlicht wird.
Die Anforderungen für das Kindeswohl sind denkbar gering, es wird geradezu ausgehöhlt, da die Antwort auf die Frage, ob die Beschneidung überhaupt im (männlichen) Kindeswohl ist, dem Belieben der Eltern anheimgestellt wird.
Die Regeln der ärztlichen Kunst sollen sicherstellen, dass die Durchführung des Eingriffs auch eine unter Beachtung der medizinischen Standards im Einzelfall gebotene und wirkungsvolle Schmerzbehandlung beinhaltet.
Fachgerechte Durchführung des Eingriffs und die hygienische Rahmenbedingungen sollten selbstverständlich sein, möchte man meinen. Hinsichtlich der Schmerzbehandlung wird viel Freiraum gelassen, für den Wunsch, den zu Beschneidenden auch etwas von der Prozedur mitbekommen zu lassen. Bei Säuglingen dürfte die eigentlich notwendige Vollnarkose schon aufgrund des Alters ausscheiden. Hier wird es wohl beim Tropfen Wein verbleiben.
Auch die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Beschneiders ist zumindest bei Ärzten eine Selbstverständlichkeit.
Man darf sich zu Recht fragen, wie das alles der Mohel oder Sünnetçi bewerkstelligen soll, ohne Arzt zu sein. Werden an seine Aufklärung die gleichen Anforderungen zu stellen sein, wie an die der Ärzte? Wird es religiöse Aufklärungsbögen geben39? Müssen Mohel oder Sünnetçi jetzt auch eine ärztliche Berufshaftpflichtversicherung vorhalten? Dürfen Mohel oder Sünnetçi jetzt auch anästhesieren?
Auch eine Schadensersatzpflicht soll ausgeschlossen sein. Eine weitere Rechtlosstellung der Betroffenen.
Über den Kindeswohlvorbehalt in Abs. 1 S. 2 soll berücksichtigt werden, wenn die Umstände des Einzelfalls zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen, bspw. bei Krankheiten. In diesem Rahmen könne auch ein etwa entgegenstehender Wille des Kindes zu berücksichtigen sein.
Abs. 2 nun ist ein Kotau vor den jüdischen Religionsvertretern. Würde man hier ausblenden, dass die Beschneidung von Kindern von Eltern jüdischen Glaubens am 8. Tag nach der Geburt stattzufinden hat, müsste man die zeitliche Begrenzung als willkürlich bezeichnen. Warum nach sechs Monaten das Gesundheitsinteresse des Kindes auf einmal überwiegt und nicht schon vorher, will aus sachlichen Gründen nicht einleuchten.40
2. Berücksichtigung des Zwecks
Wie kann nun durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet werden, wenn man die Erläuterungen zum Text weglässt.41
Hier könnte man mit gutem Willen ein Einfallstor für ein ethisches Regulativ sehen.
Das wiederum widerspräche aber der Zielsetzung, Beschneidungen generell zu ermöglichen, unabhängig von allen möglichen unterschiedlichen Zwecksetzungen.
Man muss wohl von einer unglücklichen Formulierung ausgehen.
Um im Beispiel zu bleiben, wäre das Kindeswohl gefährdet, wenn Eltern mit der Beschneidung den Zweck verfolgen, ihren Jungen an der Masturbation zu hindern?
3. Auslassungen
Die Idee eines Vetorechts ist illusorisch, besonders bei der Brit Mila. Dementsprechend wird sie in den Eckpunkten auch nur beiläufig erwähnt. Es hätte auch die Festsetzung einer Altersgrenze notwendig gemacht, bei der man sich zu Recht hätte fragen können, warum man dann nicht gleich verlangt, zur Mündigkeit hin zuzuwarten.
Auch eine irgendwie geartete Kontrolle oder Dokumentationspflicht zu Zwecken der Wissenschaft ist nicht vorgesehen. Sie würde wohl ohnehin von den Religionsgesellschaften torpediert werden, denn zu groß erscheint das Risiko, dass dann tatsächlich Schäden und Fehlleistungen offenbar werden.
Auch auf die Beschneidungsvariationen wird nicht eingegangen. Man hätte ja zumindest die besonders radikalen untersagen können.
4. Die Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen
„Aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 ergibt sich für den Staat die Pflicht, „das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, d. h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (statt aller BVerfGE 115, 320/346)“42
und
„Auf das Alter kommt es nicht an, weshalb auch eine Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen erfasst wird.“43
Es ist nur die Beschneidung des männlichen Nachwuchses erlaubt.
Selbst wenn man unterstellt, dass die Beschneidung nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Penis führt, dann muss man aber auch sagen, dass das bloße Anritzen eines Teils der Vulva, welches anschließend rückstandslos verheilt, die Funktionsfähigkeit einer solchen auch nicht beeinträchtigt. Dann müsste konsequenterweise auch dieser Akt erlaubt sein.
Doch hier scheint mit zweierlei Maß gemessen zu werden.
Dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit von Jungen wird vom Gesetzgeber also nicht der gleiche Rang eingeräumt, wie dem von Mädchen.
Ich empfinde das als beängstigend. Ich befürchte natürlich nicht, dass um die Ecke jemand lauert, der mich jetzt noch mehr beschneiden will, aber mir wird damit deutlich gemacht, dass meine körperliche Integrität weniger wichtig ist, als die von Frauen. In einem Artikel las ich einmal, die Beschneidung von Frauen verletze deren sexuelle Würde. Eine solche haben Männer dann wohl auch nicht.
Niemand aus dem Arbeitskreis will dabei, dass die Beschneidung von Mädchen - auch nur die leichtesten Formen - legalisiert wird, sie ist völlig zu Recht geächtet und strafrechtlich zu ahnden.44
Es bleibt festzuhalten, dass der Regelungsvorschlag vielfältigen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
Die Mädchenbeschneider mögen durch die katastrophale ethische Botschaft des Entwurfs argumentativen Aufwind erhalten, ihnen wird im Notfall und vor allem vor Gericht aber noch der Rechtsgrundsatz entgegen gehalten werden können, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt. Damit würde natürlich inzidenter die Grundrechtswidrigkeit dieser Regelung attestiert werden, aber hier setzt man wohl darauf, in Ermangelung eines Klägers auch keinen Richter zu haben45. Den Betroffenen macht man es jedenfalls sehr schwer. Und es wird seine Zeit dauern, bis einer mündig ist und auf die Idee kommt, zu klagen.
Es bleibt natürlich zuvörderst zu hoffen, dass diese Regelung so nicht einfach durchgewunken wird, andernfalls aber, dass sich ein Weg zum Verfassungsgericht findet. Dazu näher zu referieren, bleibt kein Raum. Aber es bleibt der fade Nachgeschmack, dass man versucht, den Status Quo zu zementieren und die Türen für die Betroffenen zu verschließen.
Bei Interessenkollisionen zwischen den Kindern und seinen Eltern kommen den Interessen des Kindes grundsätzlich Vorrang zu (BVerfGE 75 201/218 u. v. m)46
Ich meine, dass es ein Menschenrecht ist, in sein Erwachsenenleben mit intakten Genitalien einzutreten. Wer dann seine Religionszugehörigkeit über den Akt der Beschneidung „beurkunden“ will, der möge dies tun. Ein Beschneidungsverbot stand nie zur Debatte und Beschneidungsgegner in diesem Sinne gab es auch nie. Nur solche, die die Betroffenen selbst entscheiden lassen wollen.
Unnötige Schmerzen und unnötiges Leid erspart man Kindern, in diesem Falle Jungen, am besten dadurch, indem man ihnen unnötige Beschneidungen erspart. Und es ist zu diskutieren, ob religiöse Pflichten eine Beschneidung ohne medizinische Indikation bei einwilligungsunfähigen Jungen im Rechtssinne nötig machen können. Wir meinen nicht.
§ 1631 Abs. 2 BGB zu Inhalt und Grenzen der Personensorge lautet wie folgt:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andereentwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Den kann angesichts des Regelungsvorschlages auch gleich wieder abschaffen.
Hier wurde reflexhaft und unreflektiert47 dem Ruf „Deus vult“ Folge geleistet.
Es ging nie eigentlich darum, Religionen zu maßregeln, sondern Wehrlose zu schützen. Es ging darum, für sie denselben Respekt einzufordern, den die Religionen für sich einfordern.
Abschließend appelliere ich noch einmal eindringlich, im weiteren Gesetzgebungsverfahren endlich die sachlichen Argumente und vor allem die Betroffenen und deren Ausführungen zu würdigen. Und an die Religionsvertreter, nicht stur auf Positionen zu verharren und Fakten zu verdrängen, sondern endlich in einen Dialog einzutreten, sine irae et studio und ohne das Ergebnis vorweg zu nehmen.
Die Betroffenen sind auch ihre Kinder!
Georg Schepper
1 Ich ziehe die Bezeichnung „Mitmenschen jüdischen oder muslimischen Glaubens“ der als „Juden“ oder „Muslime“ vor, weil ich in letzteren eine ausgrenzende Komponente und rassistische Konnotation verorte. Mir fallen dazu immer als erstes Gegensatzpaare ein wie „Jude“/“Arier“, „Muslim“/“Ungläubiger“ ein. Wichtiger erscheint mir, dass es in erster Linie um Menschen, vor allem in dieser Diskussion um Mitmenschen in Deutschland geht. Der Glaube ist insoweit zweitrangig. Ich mag das aber nicht immer durchhalten können.
2 und auch Antimuslimismus
3 Es wird von Befürwortern der Knabenbeschneidung immer von selbst darauf hingewiesen, es handele sich um einen uralten Brauch, über 4.000 Jahre alt.
4 „Die Brit Mila bleibt“, v. 12.07.2012, juedische-allgemeine.de, von Charlotte Knobloch
5 „Bundesregierung will religiöse Beschneidungen dulden“, v. 13.07.2012, morgenpost.de
6 Auf einem mir vorliegenden Aufklärungsbogen eines deutschen Krankenhauses zur rituellen Beschneidung kann man diese „radikale“ Beschneidung auch als Wunsch für den Filius ankreuzen. Dabei wird die Vorhaut gänzlich entfernt. Dazu später mehr.
7 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, 12. Auflage, Art. 4 Rn. 18
8 NJW 86, 1859
9 so der Oberrabbiner Yona Metzger in der Bundespressekonferenz zur Debatte um Beschneidungen am 21.08.2012
10 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, 12. Auflage, Art. 1 Rn. 11; es geht hierbei freilich um das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, das soll nicht verkannt werden. Der Geist, der daraus spricht, ist entscheidend.
11 http://www.pflegewiki.de/wiki/Komplikationen_der_Beschneidung
12 „Religion kann kein Freibrief für Gewalt sein“, faz.net, initiiert von Prof. Dr. Franz
13 In Gerd Brantenbergs „Die Töchter Egalias“ wird, um die Mechanismen des Patriarchats offen zu legen, der Spieß umgedreht, Männer werden zu Männleins und verbrennen ihre PH´s, Frauen sind die Ernährer der Familie und machen Karriere. Dieses Prinzip verfolgt auch der Film, an dessen Titel ich mich nicht erinnere, in dem in Amerika eine weiße Unterschicht einer schwarzen Oberschicht gegenübergestellt wird. Man stelle sich also nun folgenden Satz der Schwester von Cem im Gespräch mit Lena vor: „Ich bin Muslima, Alte, ich brauch meinen Dildo!“, der Aufschrei wäre groß, zu Recht, aber warum nicht auch hier?
14 „Religiöse Beschneidung – Erlauben oder verbieten“, Phoenix Runde v. 05.09.2012
15 „Absurder Streit um ein wenig Haut“, welt.de v. 22.09.2012, Jakob Hessing
16 „Beschneidungen und andere Traumata“, taz.de v. 03.07.2012, Najem Wali
17 „Kindesmisshandlung unter dem religiösen Vorwand“, nicsbloghaus.org, Zentralrat der Ex-Muslime
18 „Meine Beschneidung war der Horror“, weser-kurier.de v. 26,07.2012, Riad Sattouf
19 „Offener Brief eines Betroffenen an Heinz Hilgers und den Deutschen Kinderschutzbund“, v. 29.08.2012, mogis-und-freunde.de, Alexander Bachl
20 Schönke-Schröder Lencker/Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch, 28. Auflage, § 226 Rn: 3: „Die Körperverletzung ist weiter eine schwere, wenn Sie eine dauernde erhebliche Entstellung zur Folge hat. Eine erhebliche in Stellung liegt vor, wenn die äußere gesamte Erscheinung des Verletzten in ihrer ästhetischen Wirkungen derart verändert ist dass er erhebliche psychische Nachteile im Verkehr mit anderen Menschen zu erleiden hat. ... Zur Verstümmelung weiblicher Genitalien durch Beschneidung vgl. ...
21 „Im Bett mit und ohne“, taz.de, v. 14.09.2012, Niels Juel
22 „Vierjähriges Kind musste nach Beschneidung in die Notaufnahme“, focus.de v. 14.07.2012,
23 „Anwalt kritisiert Beschneidung“, solinger-tagblatt.de v. 08.09.2012, Rebecca Brockmeier
24 „Grünen-Politikerin Göring-Eckhardt will Recht auf Beschneidung gesetzlich garantieren, fulda.de v. 16.09.2012
25 „Historiker nennt Beschneidungsurteil „groben Unsinn“, dradio.de v. 28.06.2012, Heiner Bielefeldt im Gespräch mit Liane von Billerbeck.
26 Ganz abgesehen davon finde ich es schlimm, dass von ihr der Penis auf die Frage der Funktionstüchtigkeit hin reduziert wird. Ziel ist ja nicht, die Fortpflanzung zu gefährden, aber sehr wohl, die Lust soweit möglich zu reduzieren. Auch eine beschnittene Frau kann noch schwanger werden, die Funktionsfähigkeit der Vulva wird insoweit auch nicht beeinträchtigt. Als hanebüchene Niveaulosigkeit empfinde ich die Verunglimpfung der Vorhaut als „Urinsammelstelle“ des Mannes durch Dr. Sebastian Isik (bei „Maischberger“) siehe welt.de vom 15.08.2012
27 aus Wikipedia zum Stichwort „Klitoridektomie“
28 „Zur Beschneidungsdebatte nach dem Kölner Gerichtsurteil“, ekd.de, von Torsten von der Osten-Sacken und Oliver M. Piecha
29 „Beschneidung von Frauen im Islam (Teil 1 von 2): „Die Geschichte des Female Genital Cutting“ (FGC) und seine Arten“, islamreligion.com
30 und nicht zu vergessen auch sehr schwere Genitalverstümmelungsformen bei Männern, die aber wohl nicht hierzulande praktiziert werden. Diese gehen bis zur kompletten Enthäutung oder Spaltung der Harnröhre, Stichwort „Subinzision“
31 wikipedia, Stichwort „Zirkumzision“-Abgrenzung zur Beschneidung weiblicher Genitalien; sehr umfassend auch „Männliche Beschneidung vs. Weibliche Beschneidung – Ein Vergleich“, bloganddiscussion.com
32 so Harald Stücker in „Beschneidung: Ignoranz und Sexismus“, auf evidentist.wordpress.com
33 „Blutiger Schnitt“, v. 06.02.2011, faz.net, Richard Wagner
34 Ursprünglich: http://www.paradisi.de/Health_und_Ernaehrung/Sexualitaet/Beschneidung/Forum/30590.php
35 um Wolfgang Schmidbauer aus „Beschneidung ist nicht harmlos“, sueddeutsche.de v. 04.07.2012 zu zitieren.
36 Wir hatten seinerzeit (in den 90igern) an der Universität Regensburg einen Strafrechtsprofessor, dem durchaus Schlimmeres als der folgende Sachverhalt zuzutrauen war.
37 Schönke-Schröder-Lencker/Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch, 28. Auflage, Vorbem. §§ 32 ff. 41: „Die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen elterlicher Vertretungsmacht im Falle religiös motivierter Zirkumzision (in Bezug auf die verstümmelnde Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane fehlt den Eltern von vornherein jedwede Vertretungsbefugnis“
38 um nicht zu sagen: rechtswidrig
39 Schönke-Schröder Lencker/Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch, 28. Auflage, § 223 Rn: 41b: „aufzuklären ist über .... Funktionsbeeinträchtigung eines Organs“
40 Frau Nurhan Soykan, Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime meinte, die 6-Monats-Grenze sei unter dem Aspekt der Gleichbehandlung zu erörtern, muslimische Kinder würden nämlich erst später beschnitten werden, wahrscheinlich denkt sie dabei an die Sünnetçi (morgenpost.de v. 27.09.2012, „Wie religiöse Beschneidung straffrei bleiben soll“). Man möchte hinterherrufen, warum überhaupt noch Ärzte? Aber es ist ihr Recht zu geben, dass die Grenze willkürlich wirkt.
41 Grammatische Auslegung, sprich: Nach dem Wortsinn
42 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, 12. Auflage, Art. 2 Rn. 91
43 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, 12. Auflage, Art. 3 Rn. 85
44 Anders sah dies wohl die „American Acadamy of Pediatrics, die 2010 in einer Initiative eine kleine Einkerbung in die Klitorisvorhaut als kultursensitive Kompromisslösung vorgeschlagen hatte (wikipedia zur „Zirkumzision m. w. N.). Wir erinnern uns, das die AAP erst kürzlich auch die Jungenbeschneidung propagiert hatte. Dieser Auffassung haben sich inzwischen 30 pädiatrische Verbände entgegengestellt, die Forschungsergebnisse seien nicht belegbar (zu finden unter aerztezeitung.de)
45 man hat es bei dem berühmten „Kranzgeld“ des § 1300 BGB a. F. gesehen, wie lange sich ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz im BGB halten kann, zur Belustigung von Generationen von Jurastudenten
46 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, 12. Auflage, Art. 6 Rn. 56
47 plagiiert von Holm Putzke „Die Politik reagiert reflexhaft, nicht reflektiert“, focus.de v. 24.07.2012