Werner

Stellungnahme von Werner, Mitglied des Facharbeitskreises Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V.

Wenn ich heute an meine Beschneidung zurückdenke, erinnere ich mich nicht an körperliche Schmerzen. Sie wurde ja sauber und nach den Regeln der ärztlichen Kunst in einer Klinik durchgeführt.

Die psychischen Schmerzen und Probleme kamen erst später.

Meine eigene Sexualität war von je her geprägt von Enttäuschungen. Enttäuschung darüber, dass die Gefühle, die ich dabei hatte, nicht so intensiv waren. Geschlechtsverkehr endete oft in der Bitte meiner Partnerinnen, ich möge doch bald zum Ende kommen, da sie selbst langsam Schmerzen hätten. Wohingegen ich in diesen Momenten meistens erst begann, intensive Gefühle zu entwickeln.

Die Schuld für all das schob ich aus Unwissenheit lange Zeit auf die jeweiligen Frauen, hielt sie für frigide oder unterstellte ihnen einfach „es nicht zu können“. Erst seit kurzem ist mir klar, wie sehr ich doch im Unrecht war. Als der Drang einen sexuellen „Kick“ zu erleben in mehrere Seitensprünge gipfelte, war auch meine Ehe beinahe kaputt.

Inzwischen haben wir es geschafft, unsere Ehe zu retten und darüber bin ich meiner Frau unsagbar dankbar. Meine Beschneidung hat mir einen großen Teil meiner Sexualität für immer genommen. Das belastet nicht nur mich sehr stark sondern natürlich auch meine Frau, die sehr darunter leidet, dass Sie mir nicht das geben kann, was ich mir wünsche.

Mein Weg vom Befürworter zum Gegner der Beschneidung war lang.

Als vor 5 Jahren bei meinem Sohn eine beschwerdefreie (eine sogenannte physiologische) Phimose festgestellt wurde, hätte ich aufgrund meines Glaubens um die angeblichen Vorteile sofort einer Beschneidung zugestimmt.

Ich hätte ihm die “bessere Ästhetik” und die “größere Ausdauer” gerne gegönnt. So konnte ich zunächst gar nicht verstehen, warum meine Frau sich dagegen wehrte und sich weigerte, der Beschneidung zuzustimmen. Bisher hatte ich immer gedacht, sie wäre von meinem “verbessertem” Penis ebenso überzeugt, wie ich – doch dem war nicht so.

Sie ging statt dessen zu einer Kinderurologin. Als diese meinen Sohn und seine harmlose Phimose sah, war sie regelrecht erschrocken über die Leichtfertigkeit, mit der unser Kinderarzt unseren Sohn hätte beschneiden wollen.

Ein wirkliches Schlüsselerlebnis hatte ich ca. zwei Jahre später. Ich hatte inzwischen in diversen Internetforen gelesen, dass die Haut einer beschnittene Eichel mit der Zeit immer dicker wird und dadurch das Empfindungsvermögen abstumpft. Also versuchte ich, mit Gesichtspeeling der überflüssigen Hornhaut zu Leibe zu rücken. Dabei verspürte ich keinen Schmerz, nicht einmal unangenehme Gefühle.

Und da begriff ich langsam, was ich durch meine Vorhautamputation wirklich verloren hatte. Ich war schockiert: Was für mich mein Leben lang normal gewesen war, war in Wirklichkeit nur noch ein stumpfes “Restempfinden”. Ich hatte an meinem Oberarm mehr Gefühl als an meiner eigentlich empfindlichsten Stelle.

Eine Beschneidung minderjähriger Kinder oder gar Säuglingen ohne medizinische Indikation, stellt für mich inzwischen eindeutig einen Akt der Körperverletzung und Missbrauch Schutzbefohlener dar, sei sie nun aus religiösen, traditionellen, oder anderen, nicht medizinischen Motiven heraus passiert.

In vielen Postings auf diversen Internetforen schreiben Mütter, dass sie ihre Söhne schon im frühesten Kindesalter „stramm und hoch“ beschneiden lassen, weil es so ästhetisch sei oder gar, weil es die Masturbation in der Jugend verhindern könne. Eine solche Einstellung ist wie ich finde zutiefst verachtenswert, verletzt sie doch grob die Menschenwürde der Kinder.

Auch solchen Absichten wird mit dem vorgestellten Gesetzent wurf des BMJ nun Tür und Tor geöffnet. Die Diskussion um rituelle Beschneidungen, die nun im Gang ist, wäre so wichtig, wenn sie denn vernünftig geführt würde.

Aber viele der Befürworter lassen eine echte Diskussion überhaupt nicht zu und würgen sie ab mit Erpressung („dann müssen die Juden aus Deutschland verschwinden“) oder mit unhaltbaren Naziargumenten.

Das Wichtigste, die Kinder, bleiben außen vor.

Es wäre gerecht gewesen, heute Männer zu Wort kommen zu lassen, die die Verletzungen, die sie durch ihre Beschneidung erlitten haben erkannt haben und sie ansprechen. Männer die unter dem ihnen aufgezwungenen Zustand leiden und die mit diesem Gesetzentwurf verhöhnt werden.

Dass man die Betroffenen in den Anhörungen im Bundesjustizministerium konsquent ausgesperrt hat, ist – wenn man die Art wie dieser Gesetzentwurf zustande gekommen ist berücksichtigt – jedoch leider nur konsequent.