Pressemitteilung zum 6. Weltweiten Tag der genitalen Selbstbestimmung

 

PRESSEMITTEILUNG
von BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Ibn Rushd-Goethe Moschee, MOGiS e.V. – Eine Stimme für Betroffene, TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V.

Kinder-, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie Ärzteverbände thematisieren anlässlich des "Weltweiten Tags der Genitalen Selbstbestimmung":

"Medikalisierte weibliche Genitalverstümmelung: ein Tabu nicht nur in Asien"

Berlin, 03.05.2018 - Der Jahrestag des Kölner "Beschneidungsurteils" wird am 7. Mai erneut als "Welttag der Genitalen Selbstbestimmung" in Köln und San Francisco gefeiert. Den Aufruf dieses internationalen Bündnisses unterstützen 53 Kinder-, Menschen- und Frauenrechtsorganisationen sowie Ärzteverbände aus zwölf Ländern und fünf Kontinenten.

In diesem Jahr widmet sich der 7. Mai mit einem Schwerpunkt weiblicher Genitalverstümmelung in Asien. Dort werden Millionen von Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung. Meist sind diese religiös begründet und werden von medizinischem Personal durchgeführt. Die Verantwortlichen grenzen sich mit Hinweis auf die Form des Eingriffes stark von afrikanischen Praktiken ab. Der 7. Mai sieht genau hin: Denn er steht für "Null-Toleranz" bei Verletzung von Kinderrecht!

Zur
zentralen Kundgebung in Köln am 7. Mai um 12:00 Uhr auf dem Wallrafplatz werden zahlreiche Redner der unterstützenden Organisationen erwartet.

Sie fordern:
Verstärkten Einsatz auch gegen sogenannte "weniger invasive" und medikalisierte Formen weiblicher Genitalverstümmelung (FGM), Schutz der Gefährdeten und Unterstützung für die Betroffenen weltweit.
• Einhaltung und Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention Art. 2 (Schutz vor Diskriminierung), Art. 3 (Vorrang des Kindeswohls) und Art. 24, Absatz 3 (Abschaffung schädlicher Bräuche).
• Gesetzesinitiativen weltweit, die den Schutz aller Kinder unabhängig vom Geschlecht vor medizinisch nicht notwendigen Genitaloperationen vorsehen.
• Schutz von Kindern mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen vor medizinisch nicht notwendigen Genitaloperationen und weiteren Eingriffen.
• Sofortiger Stopp der Massenbeschneidungen von Jungen im Rahmen angeblicher HIV-Prävention in afrikanischen Ländern.
• Öffentliche Forschung und Aufklärung zu den Folgen von nicht-therapeutischen Genitaloperationen an Kindern in ihren unterschiedlichen Formen und sozialen Kontexten.


Besondere Brisanz bekommt der Themenschwerpunkt durch zwei Prozesse in den USA und Großbritannien, wo kürzlich der asiatischen Praxis ähnliche medikalisierte sogenannte "weniger invasiver" Fälle weiblicher Genitalverstümmelung bisher zu keiner Verurteilung der Verantwortlichen führten. Es hieß, es seien angeblich keine Schäden nachweisbar bzw. die Verteidigung gab mit Hinweis auf die medizinischen Gutachten an, mit männlicher "Beschneidung" würde eine in diesem Fall gravierendere Praxis schließlich auch nicht als Genitalverstümmelung gewertet.

Dazu
Charlotte Weil, Referentin Referat "Weibliche Genitalverstümmelung" bei TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V.: "Weibliche Genitalverstümmelung wird weithin als afrikanische Praktik wahrgenommen. Kaum bekannt ist jedoch, dass FGM/C auch in vielen asiatischen Ländern praktiziert wird. Die medikalisierte Form der Praktik und eine damit einhergehende Verharmlosung ist dort besonders häufig. Umso wichtiger, auf dieses Thema aufmerksam zu machen! Jede Genitalverstümmelung stellt eine schwere Kinder- und Menschenrechtsverletzung dar. TERRE DES FEMMES setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung eines jeden Kindes gewahrt wird.“

Für den
BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte erläutert Vize-Präsidentin Dr. Sigrid Peter: "Die körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes ist vorrangig (UN-KR). Das gilt gleichermaßen für Jungen wie für Mädchen. Es gibt keinen medizinischen Grund bei gesunden, minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Jungen die intakte Vorhaut zu entfernen. Die Genitalverstümmelungen bei Mädchen sind ohne jeglichen medizinischen Hintergrund und führen zu einer lebenslangen leidvollen Beeinträchtigung des Sexuallebens sowie schweren Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt. Alle pädiatrischen Verbände sprechen sich daher gegen die nicht medizinisch begründete Beschneidung von minderjährigen Jungen und gegen jegliche Genitalverstümmelung bei Mädchen aus. 'Kinderschutz verbessern, Gewalt jeglicher Art konsequent bekämpfen' heißt es im Koalitionspapier von CDU/CSU und SPD. Hier erwarten wir Taten und nicht nur Absichtserklärungen."

Mit der
Ibn Rush-Goethe Moschee unterstützt in diesem Jahr erstmals eine Organisation gläubiger Muslime den Aufruf zum Weltweiten Tag der genitalen Selbstbestimmung. Gründerin Seyran Ates erklärt: "Ich engagiere mich gegen jegliche Beschneidung von Kindern, weil ich ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit als schützenswert erachte. Dies gilt für Mädchen genauso wie für Jungen. Jeder Mensch kann sich später als Erwachsener frei und selbstbestimmt dazu entscheiden, operative Eingriffe an sich vornehmen zu lassen. Gerade die männliche Beschneidung wird immer noch verharmlost. Die weibliche Genitalverstümmelung wird inzwischen zwar allgemein gesellschaftlich geächtet, gleichzeitig muss aber insbesondere in muslimischen Gemeinden noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit stattfinden. Die Beschneidung von Kindern ist eine Körperverletzung und es wird Zeit, dass auch Religionsvertreter entschiedener dagegen vorgehen."

Für
Önder Özgeday, Vorstandsmitglied von MOGiS e.V. - Eine Stimme für Betroffene, zeigen die aktuellen Prozesse gegen FGM (Weibliche Genitalverstümmelung) einmal mehr, dass Kinderrechte nur gleich geltend für alle durchzusetzen sind: "Solange Vorhautamputationen an Jungen überall geduldet werden, ist der Schutz von Mädchen nur unter eklatanten Widersprüchen einzufordern – und scheitert folglich. Vor dem durchschaubaren Hintergrund, die Legalität von Vorhautamputationen an Jungen koste es was es wolle zu erhalten, werden immer wieder Stimmen laut, den Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter mit einem Aufweichen des Schutzes von Mädchen umzusetzen, zuletzt gar in der New York Times. Dem stellen wir uns mit aller Entschiedenheit entgegen! Wir Betroffenen im MOGiS e.V. fordern nicht weniger, sondern mehr Schutz für alle Kinder, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Tradition der Eltern. Dafür steht der 7. Mai!"

 
Terminhinweise:

Sonntag, 6. Mai 2018, 11 Uhr, Köln, Alte Feuerwache

TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V. lädt ein:
Podiumsdiskussion "Medikalisierte weibliche Genitalverstümmelung: ein Tabu nicht nur in Asien"

mit Yuliati Umrah (Kinderrechteaktivistin aus Indonesien und Gründerin der Hilfsorganisation Arek Lintang), Hannah Wettig (Leiterin der StopFGM-Kampagne von WADI e.V.), Dr. med. Christoph Zerm (Gynäkologe und Vorsitzender der AG FIDE e.V.) und TDF-Vorstandsfrau Dr. Necla Kelek. Moderation: Gislinde Nauy
 
Montag, 7. Mai 2018, Köln

Demonstration und Kundgebung zum
Weltweiten Tag der Genitalen Selbstbestimmung

Start gegen 10:30 Uhr am Landgericht, Luxemburger Str. 101.
Kundgebung mit Reden von Vertretern der teilnehmenden Organisationen: ab 12 Uhr auf dem Wallrafplatz.

Aufruf und Unterstützerliste unter
http://www.genitale-selbstbestimmung.de
bzw. http://www.genital-autonomy.de (englisch)

 
Weblinks der an dieser PM beteiligten Organisationen:
BVKJ: http://www.kinderaerzte-im-netz.de
Ibn Rushd-Goethe Moschee:
https://www.ibn-rushd-goethe-moschee.de/
MOGiS e.V.:
https://die-betroffenen.de/; https://mogis.info/
TERRE DES FEMMES: http://www.frauenrechte.de