Diese Zusammenstellung stellt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir haben für Sie herausgesucht, was uns aus unserer Perspektive in 2015 bemerkenswert erschien.
Was ist hier TOP, was FLOP? Das Urteil überlassen wir natürlich Ihnen!
Gleich zu Beginn des Jahres 2015 ereignete sich etwas Erstaunliches: in der Affäre um den SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy fiel Befürwortern eines angeblichen Elternrechts auf Zwangsbeschneidung männlicher Kinder auf einmal ein, dass Kinder eine WÜRDE besitzen: diese sei durch Veröffentlichung von Nacktfotos von Kindern im Internet verletzt. Eine Einschätzung, die wir teilen. Hier die Worte des Jungenrechtsabschaffers Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen):
Rede: Zur erneuten Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung
Der Aufruf zum Welttag der genitalen Selbstbestimmung am 7. Mai in Köln wurde dieses Jahr tatsächlich in einigen Presseorganen wahrgenommen. Das hat uns gefreut! Hey, so einen Aufruf zu einem derart umfangreichen geschlechterübergreifenden Themenkomplex zu formulieren, in dem sich 35 Organisationen wiederfinden sollen, macht wirklich Arbeit! Umso bedauerlicher ist dann, wenn wie in folgenden beiden Beispielen der Eindruck entsteht, dass die entsprechenden JournalistInnen Sonja Vogel (taz) und André Anchuelo (Jüdische Allgemeine) ihn gar nicht gelesen haben - und einfach trotzdem darüber schreiben. Liebe Frau Vogel und lieber Herr Anchuelo, hat es Sie überfordert, dass am 7. Mai beim Thema Verletzung von Rechten auf sexuelle Selbstbestimmung ausnahmsweise einmal nicht wie sonst üblich Jungen ausgeklammert werden? Hat dies Ihr Rollen- und Geschlechterbild so erschüttert, dass Sie nicht mehr in der Lage waren, sich angesichts offen bleibender Fragen mit einem/einer VertreterIn der 35 Organisationen in Verbindung zu setzen? Blieben Ihnen als letzter Rettungsanker also nur noch geschmacklose Bemerkungen („eine Frage des Geschmacks“) und ein Telefonat mit Volker Beck (der mit dem Aufruf gar nichts zu tun hatte)? Waren selbst fünf Minuten generelle Recherche einfach zu viel verlangt? Dann überlassen Sie das Thema 2016 doch bitte einem/einer Kollegen/in. Sonst kommt nachher wieder so etwas dabei heraus:
taz: In der Hose der Anderen
Jüdische Allgemeine: »Amputation der Vorhaut«
Sachverstand und Ethik standen im Juni bei einem Symposium des Essener Elisabeth-Krankenhauses auf der Tagesordnung. Hier wird versucht, Kinderschutz umzusetzen, indem Eltern die volle Tragweite einer Entscheidung betr. einer Vorhautamputation ihres Sohnes auf neuestem wissenschaftlichen Stand vermittelt wird.
Warum eine Klinik in Essen Beschneidungen verweigert
Beschneidung bringt Kinderärzte in Gewissenskonflikte
Beschneidungen von Jungs? Nur bei medizinischer Indikation!
Im Juli veröffentlichte GEO die ausführlichen Ergebnisse intensiver Recherchen. Sie können nicht glauben, dass Millionen US-Dollar in ärmste Länder gepumpt werden, um dort Millionen männlicher Afrikaner auf der Basis ungenügender Informationen ihre Vorhaut abzuschwatzen?
Ein Einschnitt fürs Leben?
Und dass UNICEF sich aktiv an Kinderzwangsbeschneidung – also an einer schweren Menschenrechtsverletzung – beteiligt, halten Sie für ein Gerücht? Schön wärs, aber lesen Sie selbst:
UNICEF: Medical male circumcision
Nun, dass es keine Männer gibt, die an den Folgen von Genitalverstümmelung leiden, war schon immer ein Märchen, ist aber nach dem Erscheinen von Clemens Bergners Buch „Ent-hüllt“ endgültig nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der Wissensteil der Frankfurter Rundschau hat dies in einer ausführlichen Rezension aufgegriffen:
Weit mehr als eine Kleinigkeit
Kindervorhäute retten das Leben von Ratten? Mitten in Deutschland? Das kann nun wirklich nicht sein. Dürfte es laut Transplantationsgesetz auch nicht. Wiederholt scheinen bei den Rechten von Jungen einfach andere Maßstäbe zu gelten und dies durch die Ethikkommissionen aller beteiligten Institute zu segeln. Eine Sache für den Staatsanwalt?
Forschung: Vorhaut macht Tierversuche überflüssig
Der türkische Ex-Fußballnationalspieler Mustafa Izzet schilderte im Herbst ein aussagekräftiges Ereignis mit seinen Kollegen in der Kabine, wo er erst einmal die Hosen runter lassen musste. Was das mit Kinderrechten zu tun hat:
Leicester Mercury
Weibliche Genitalverstümmelung gibt es nur in Afrika und findet immer mittels rostiger Rasierklingen statt? Natürlich nicht. Auf den Trichter, mit sterilen Bedingungen und angeblicher "Nichtvergleichbarkeit" für eine Kinderrechtsverletzung zu werben, sind auch Protagonistinnen und Protagonisten weiblicher Genitalverstümmelung längst gekommen. Dank des Deutschen Gesetzgebers ein echtes Erfolgsrezept "Made in Germany"!
Female circumcision on the rise in malaysia
Zwei Bildungsmodule werden als Unterrichtsmodelle für die Schule angeboten. Was ist hier TOP, was FLOP? Bitte beachten Sie die Auswahl der Autorinnen und Autoren und die verantwortlichen Institute.
Lernpfad: Beschneidung von Jungen - ein heißes Eisen...
Kleiner Schnitt und hitzige Debatte
Sie vermissen in der Auflistung den Deutschen Kinderschutzbund? Wir auch, und insbesondere betroffene Jugendliche, die sich fragen, warum es so etwas wie einen Kinderschutzbund überhaupt gibt, wenn der derzeitige Vorstand ihn de facto eher als eine Art Elternschutzverein versteht. Vom 2015 im Amt bestätigten Präsidenten Heinz Hilgers gab es zuletzt vor über zwei Jahren eine Aussage zum Thema Vorhautamputationen, die an dem betreffenden konkreten Fall im Besonderen und der Realität für betroffene Jungen im Allgemeinen jedoch meilenweit vorbeiging. Seitdem sieht man dort "keinen Gesprächsbedarf". Handelt es sich etwa um Wegschauen aus Prinzip?
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Wie Sie sehen, gab und gibt es Vieles zu feiern und zum an die Decke gehen. Wir schlagen vor, sich auf festem Boden der UN-Kinderrechtskonvention zu bewegen, dann kommen wir auch im kommenden Jahr gehörige Schritte weiter.
Wir wünschen Ihnen einen guten Rutsch in ein gesundes Neues Jahr 2016!