Zum vierten Jahrestag der Verabschiedung des "Beschneidungsgesetzes" werben Ärzte- und Kinderrechtsverbände für gleichen Schutz aller Kinder in ihren Rechten auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung.
Berlin, den 09.12.2016
Am 12.12.2012 legalisierte der Deutsche Bundestag medizinisch nicht indizierte Vorhautentfernungen ("Beschneidungen") an minderjährigen Jungen aus jeglichem Grunde als Teil der elterlichen Personensorge in §1631d BGB. Zum vierten Jahrestag dieses Gesetzesbeschlusses protestieren erneut:
Sie fordern:
Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): "Als Kinder- und Jugendärzte sehen wir in unseren Praxen immer wieder nach einer Beschneidung Verletzungen, Infektionen, Blutungen und Vernarbungen. Wir sehen traumatisierte Jungen, die unter Vertrauensverlust, Kastrationsängsten und körperlichen Schmerzen leiden. Wir brauchen endlich ein Verbot der medizinisch nicht indizierten Vorhautentfernung. Kinder haben das unveräußerliche Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit."
Für den Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V. erklärt Önder Özgeday: "Dieses Datum steht für ein kollektives Wegschauen als Zeichen angeblicher Toleranz. Ich weiß, wovon ich spreche: Anstatt dass der Staat mich damals vor der Vorhautamputation und all dem Leid, das sie für mich mein Leben lang bedeutet, schützte, kam ein Kamerateam einer Lokalzeitung, um darüber einen heiteren Artikel zu schreiben. Die gesetzliche Schutzlosstellung von Jungen muss beendet werden. Kinderrechte sind unteilbar und gehen alle an."
Dr. Ulrich Fegeler erläutert für das Deutsche Kinderbulletin / jedem Kind eine Chance: "Die nicht-medizinisch begründete Entfernung der Vorhaut bei Jungen (auch: Beschneidung; Vorhautamputation), die noch nicht entscheidungsfähig sind, ist eine schwere Verletzung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit. Keine religiös oder kulturell begründete Gewohnheit und auch keine pseudo-medizinische Begründung kann diesen Tatbestand wegleugnen. Ärzte sollten sich weltweit und einmütig dieser genitalen Verletzungspraktik an Kindern entgegen stemmen."
Victor Schiering, Vorstandsmitglied von MOGiS e.V. - Eine Stimme für Betroffene, weist auf rege öffentliche Diskussionen in anderen Ländern hin: "In Israel und besonders momentan in Dänemark werden negativ Betroffene in TV-Sendungen eingeladen und kommen in Medienberichten ausführlich zu Wort. Vielleicht können wir hier in Deutschland davon lernen, wie so eine in der Tat schwierige Debatte wirklich offen zu führen ist. Dazu gehört die Beteiligung derer, die allein die Konsequenzen der Gesetzgebung tragen müssen, auf die wir heute aufmerksam machen."