„Woche der weiblichen Beschneidung“ in Sierra Leone

Ein erschütternder und gleichzeitig aufschlussreicher Einblick in die Argumentationsmuster der Befürwortung von Genitalverstümmelungen, hier an Mädchen und Frauen.

 

Sind sie nicht überall mehr oder weniger übereinstimmend: ob an Mädchen oder Jungen, ob hier oder in Sierra Leone?

 

Im Rahmen des 6. Februar, des Weltweiten Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM), fanden auch in Sierra Leone Veranstaltungen z.B. durch die WHO zu Aufklärung und Schutz von Mädchen und Frauen statt. Dagegen formiert sich jetzt medial wahrnehmbarer Widerstand. Der „Sierra Leone Telegraph“ berichtet über eine Gegenaktion einer Gruppierung namens „Sierra Leone women are free to choose (SLWAFC)“ (Frauen aus Sierra Leona sind frei selbst zu wählen), die zu „den Ursprüngen weiblicher und männlicher Beschneidung, ihrer Bedeutung als sozio-religiöse und ästhetisch motivierte Praxis aufklären“ will, die in Sierra Leone von „hohem Wert“ seien. Als Abschluss der „Woche der der weiblichen Beschneidung“ stehe ein Festival im Nationalstadion in Freetown, ausgerichtet von Frauenvertreterinnen, die für das „reiche, kulturelle und religiöse Erbe symbolisiert durch weibliche und männliche Beschneidung“ stünden.

 

Die Anthropologin Said Fuambai Sia Ahmadu unterstellt in diesem Interview, Widerstand gegen weibliche Genitalverstümmelung in Sierra Leone sei in erster Linie dadurch motiviert, dass durch westliche Organisationen Gelder ins Land flößen, für die manche Frauen bereit sein, ihr kulturelles Erbe aufzugeben. An diesen Projekten sieht sie Widersprüche: „Weiße heranwachsende Mädchen und Frauen imitieren, modernisieren und bewerben doch selbst Praktiken, die sie bei uns „Verstümmelung“ nennen. Labia- und Klitorisplastiken und andere medizinisch klingende Eingriffe sind identisch mit Eingriffen, die die WHO als FGM einstuft. Trotzdem werden westliche Länder nicht wie wir in den offiziellen Berichten über FGM gelistet.“

 

Sie bezweifele, dass die Aktion gegen FGM von der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt werde: „Ich denke, sie sprechen nur für eine Handvoll Frauen. Fakt ist: die Mehrheit der beschnittenen Frauen unterstützt weibliche Beschneidung wie die Mehrheit der beschnittenen Männer männliche Beschneidung unterstützt. Für die meisten Frauen in Sierra Leone ist der Begriff FGM ein Angriff auf ihre Identität und eine nicht zu akzeptierende Beleidigung gegen sie, ihre Mütter und alte Frauen. Ich bin von einer beschnittenen Frau geboren worden, die ebenfalls von einer beschnittenen Frau geboren wurde usw. Dem Begriff „Verstümmelung“ zuzustimmen hieße nicht nur, den Intimbereich meiner Mutter und Großmutter zu verfluchen, sondern auch die Quelle meines Lebens, meiner Identität und meiner Herkunft.“

 

Auf die Frage des Interviewers, wie sie dem Vorwurf begegne, Gefühle und Kultur über die (sexuelle) Gesundheit unschuldiger, nicht zustimmungsfähiger Mädchen zu stellen, antwortet Said Fuambai Sia Ahmadu: „Sie sind ein beschnittener Mann und ich bin sicher, dass sie keine Einverständnis zur Beschneidung ihrer Genitalien gegeben haben. Und das beinhaltet Risiken. Manche fürchterliche Unfälle sind geschehen und unschuldige Jungen sind ums Leben gekommen. FGM-Aktivistinnen müssen aufhören, sich afrikanische, muslimische oder nicht-westliche Madchen herauszufischen, wenn sie eine valide Grundlage für Kinderschutz vorzeigen möchten.“

 

Abschließend konstatiert sie: „Die Woche der weiblichen Beschneidung ist ein Plattform, wo wir uns als Bondo Frauen und engagieren und mit anderen zusammenschließen können. Indem wir den Begriff FGM ablehnen und fordern, dass unsere Regierung, die Spendengeber und NGOs unsere Rechte auf Selbstbestimmung und Menschenwürde respektieren, reklamieren wir unser Recht auf unseren Körper und unsere Integrität als erwachsene Frauen.“