Gastbeitrag: Warum Verjährung bei der rechtlichen Bewertung einer Beschneidung eigentlich irrelevant ist

 

Die Frankfurter Rundschau hatte letzte Woche in seinem Blog eine Talkrunde mit Intaktiv zum Thema nicht-therapeutischer Vorhautamputationen -> Blogtalk: Beschneidung in Deutschland nach 2012.

Daraus wurde dann ein zweiseitiger Artikel in der Wochenendausgabe der Frankfurter Rundschau.

Neben der Freude darüber, dass das Thema "Beschneidung" nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages nicht einfach so in der Versenkung verschwunden ist [1] mischt sich bei mir leider das Gefühl, dass der Artikel zum Ende hin leider etwas in die falsche Richtung weisst.

Insbesondere deutet er an, eines der Probleme für die Verfolgbarkeit der von betroffenen Jungen erlittenen Vorhautamputation wäre die zivil- sowie strafrechtliche Verjährung.

Dem ist aber nicht so.

Das Problem, für das erlittene Unrecht, auf rechtlichem Wege Genugtuung zu erlangen, liegt schlicht darin, dass der 2012 verabschiedete §1631d BGB die Rechtswidrigkeit einer nach allen Regeln der Kunst durchgeführten, nicht-therapeutischen Vorhautamputation grundsätzlich dann verneint, wenn die Eltern eingewilligt haben.

Dies hat Auswirkungen im Strafrecht, sowie im Zivilrecht.

Strafrechtlich gesehen sind solche Eingriffe damit rechtmäßige Körperverletzungen (wie therapeutisch notwendige Blinddarmentfernungen). Eine Verjährung käme also gar nicht erst zum Tragen. Ein solches Verfahren würde bereits von der Staatanwaltschaft eingestellt.

Im Zivilrecht wäre die Rechtsposition des Betroffenen eigentlich grundsätzlich besser, insbesondere und auch durch das am 30.06.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG).

Im StORMG wurde unter anderem geregelt, dass "Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen" erst nach 30 Jahren verjähren.

Diese 30-jährige Verjährung beginnt erst mit dem Ende der Ruhenfrist im 21. Lebensjahr des Betroffenen - Ansprüche könnten also grundsätzlich bis zum Ende des 51. Lebensjahrs des Betroffenen geltend gemacht werden.

Käme es jedoch zu einem Verfahren, würde bei einer nicht-therapeutischen Vorhautamputation, die nach den Regeln der Kunst erfolgt ist, die durch den §1631d BGB begründete Rechtsmäßigkeit des Eingriffs eine Haftung durch die Eltern und/oder oder den amputierenden Arzt ausschließen.

Dies übrigens auch für Fälle vor dem 28.12.2012, diese Rechtmäßigkeit wirkt rückwirkend.

In diesem Sinne sind auch alle vor 2012 betroffenen Männer direkt und unmittelbar vom §1631d BGB betroffenen, da ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Hilfsleistungen durch den Gesetzgeber vereitelt wurden.

[1] (hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch auf das Symposium: "Genitale Autonomie: Körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung – von der Theorie zur Praxis" und den Welttag für genitale Selbstbestimmung)