Sprachliche Bagatellisierungen begleiten Rechtfertigungen von Übergriffen auf Kinder überall auf der Welt. Die Verrohung reicht von dem „kleinen Klaps, der noch niemandem geschadet hat“ über Behauptungen, sexuelle Handlungen mit Kindern könnten „in deren Einvernehmen“ stattfinden bis hin zu Aussagen, Teile männlicher Kindergenitalien seien „ein Stückchen Haut“ oder „überflüssig“.
Die betroffenen Menschen im MOGiS e.V. kennen so etwas und benennen es immer wieder, um für eine Sensibilisierung zu werben – denn schon die Sprache kann zur Täterin werden und noch Schlimmerem vorarbeiten bzw. dieses zu verdecken beitragen.
Was allerdings in einem aktuellen Gastbeitrag der ZEIT zu lesen ist, haut jeglichem Fass den Boden aus: „Die Beschneidung ist ein Familienfest, bei dem der Penis völlig frei von Scham im Zentrum steht.“ Wie selten wird hier (unfreiwillig?) auch der bloßstellende Charakter von Genitalverstümmelungen deutlich, und Jungen gleichzeitig eine „Scham“ abgesprochen. Dies deckt sich mit weiteren ausführlichen Schilderungen.
„Der Körper des Mädchens tritt in den Hintergrund, er wird als schützenswert erklärt und somit unsichtbar. Der männliche Körper hingegen wird zelebriert. Auch in diese Ungerechtigkeit wurde meine Tochter geboren." Hier scheint das ganze dann gar in eine Bewerbung weiblicher Genitalverstümmelung zu kippen. Sollte laut dem Verfasser nun auch eine familiäre Festlichkeit eingeführt werden, in der weibliche Kindergenitalien ganz „frei von Scham“ im Mittelpunkt mitsamt einer chirurgischen Zurechtstutzung stehen? Wäre dies nun der Weg, um "Gerechtigkeit" zwischen Kindern verschiedenen Geschlechtes herzustellen? Nun, damit würde ja leider eine in vielen Kulturen weltweit Jahrtausende alte traurige Realität beschrieben, wo nicht nur Jungen "gefeiert" werden, sondern auch Mädchen blumenbehangen zur Genitalverstümmelung antreten müssen. Die Idee des Verfassers wäre also nicht neu. Auch andererorts werden stetig neue Bemühungen deutlich, eine „Gerechtigkeit“ herzustellen, indem man Mädchen Schutzrechte entzieht und ihre Grundrechte einschränkt - eben so, wie es bei Jungen der Fall ist.
Kindergenitalien ein „schamfreier“ Gegenstand im Zentrum von Familienfesten? Warum sich die Missbrauchsbetroffenen im MOGiS e.V. nun schon seit Jahren auch dem Themenfeld Genitalverstümmelung an Kindern unabhängig vom Geschlecht widmen und mit davon leidvoll Betroffenen solidarisch zeigen, wird hier wohl überdeutlich.
Kindergenitalien gehören nur den Kindern allein. Unsere Gesellschaft muss dies garantieren und durchsetzen. Bei jeder Form und jedem Kontext, den Erwachsene solchen Übergriffen geben.